2024-03-27T09:59:13+0000

Web-TV: „Dynamisch bleiben und positiv denken“

Der Schadentalk im Web-TV ist in die vierte Staffel gestartet. Beim ersten Branchentalk des Jahres (Ausstrahlung: 21. März) stand dieses Mal die konkrete wirtschaftliche Lage der K&L-Betriebe im Fokus. Dafür sprach Moderatorin Carina Hedderich mit Geschäftsführerin Anne Berger von der Albrecht & Grimm GmbH sowie den Betriebsinhabern Eric Müller (ATM Reparaturzentrum) und Daniel Gruschwitz (Kramer Lackierung). Komplettiert wurde die Runde von Stefan Oesterling von AkzoNobel, der als Leiter des Werkstattnetzes Acoat Selected einen guten Überblick über die Marktlage in der Branche hat. ## Hohe Auslastung, aber keine zufriedenstellende Rendite Den sehr persönlichen Erfahrungen der Talkgäste standen die Ergebnisse der Konjunktur- und Stimmungsumfrage von schaden.news gegenüber – an der sich im Februar mehrere hundert Betriebe anonym beteiligt haben – und die von Redaktionsleiterin Ina Otto während der Sendung präsentiert wurden. [Demnach schätzen fast die Hälfte aller Befragten ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als gut oder sehr gut ein. Zudem haben 92 Prozent der Teilnehmenden nach eigenen Angaben eine Rendite erwirtschaftet, zufrieden waren damit allerdings nur 45 Prozent.](https://schaden.news/de/article/link/43936/konjunkturumfrage-ergebnisse-rendite-kosten) Ein Grund dafür: Die Auslastung. Zwar gaben mit 63 Prozent so viele Betriebe wie nie zuvor in der schaden.news-Konjunkturumfrage an, vollausgelastet zu sein, jedoch ist dies aus Sicht von Stefan Oesterling trügerisch. Der Business Development Manager von AkzoNobel weiß: „Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist das ein Trugschluss, denn wenn die ganze Mannschaft in der Werkstatt vor Ort wäre, sehe das anders aus.“ Hinzu kommt aus Sicht des Acoat Selected-Netzwerkleiter die Frage: „Mit welchen Aufträgen ist die Werkstatt vollausgelastet?“ Diesbezüglich zeigen sich auch bei den rund 350 Acoat Selected-Betrieben Unterschiede, je nachdem, mit welchen Auftraggebern der Betrieb zusammenarbeite. An diesem Punkt sei deshalb jedes Unternehmen gefordert, „schlechten gegen guten Umsatz zu tauschen“, betonte er – auch, um einen Investitionsstau zu vermeiden. ## „Investitionen waren quasi gar nicht mehr möglich“ Eine Einschätzung, die Anne Berger von der Albrecht & Grimm GmbH nicht nur teilte, sondern die auf das 1994 gegründete Leipziger Unternehmen komplett zutrifft. „Vieles ist bereits passiert, vieles aber auch noch nicht. Wir stehen aktuell vor der Herausforderung, uns zu modernisieren. Bei 100 Mitarbeitern, die gegebenenfalls mit neuen Geräten oder bestimmten Teilen ausgestattet werden müssen, ist das ein extrem hohes Volumen. Da gibt es einen gewissen Sanierungsstau“, erklärt Anne Berger, die seit 2023 die Geschäfte gemeinsam mit den Gründern Mirko Albrecht und Holger Grimm leitet. Das Problem: Bedingt durch die Krisen der letzten drei Jahre hat die Liquidität gelitten: „Die Ansparungen wurden durch die Jahre 2020, 2021 und 2022 aufgefressen. Investitionen waren quasi gar nicht mehr möglich“, so die junge Geschäftsführerin. Aktuell ist das auf die Fahrzeugaufbereitung spezialisierte Unternehmen mit mehreren Standorten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zwar dabei, die Auftraggeber zu sondieren, jedoch nur in Maßen, wie sie erklärte: „Wir wollen langfristig mit unseren Kunden
zusammenarbeiten. Natürlich müssen wir auch die Preise anpassen, aber wir würden nie einen neuen Kunden einem Bestandskunden vorziehen. Da sind wir dann bemüht, einen Konsens zu finden.“ ## „Wir haben unsere Kundschaft bewusst aussortiert“ Daniel Gruschwitz hat diesen Prozess bereits hinter sich. Er hat nach der Übernahme des schwiegerväterlichen Betriebs, Kramer Lackierung, die Kundschaft bewusst auf den Prüfstand gestellt. „Wir arbeiten zu 80 Prozent mit Autohäusern zusammen, die meisten davon markengebunden, und haben eine hohe, reale Auslastung. Damit bin ich sehr zufrieden“, betonte er. Der Inhaber pflegt laut eigener Aussage gute Geschäftsbeziehungen zu seinen Auftraggebern, so dass auch der in diesem Jahr erneut angepasste Stundenverrechnungssatz kein Problem darstelle. Auch deshalb hat sich der Fahrzeuglackierermeister vor ein paar Jahren bewusst gegen eine Vergrößerung seines Betriebes entschieden und verzichtet zudem auf gesteuerte Schäden. ## „Breite Aufstellung ist Garant für wirtschaftlich gute Lage“ Auch Eric Müller zeigte sich in der Talkrunde zufrieden mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation seines Familienbetriebes. Seit Jahresbeginn führt er das ATM Reparaturzentrum bei Chemnitz in zweiter Generation. Den Grund für die wirtschaftlich stabile Lage sieht er vor allem in der breiten Aufstellung. Der Full-Service-Betrieb ist unter anderem Tesla Approved Bodyshop, ADAC Mobilitätspartner und Caravan-Fachbetrieb. „Diese Standbeine waren ein Garant, als vor drei Jahren die Wirtschaft kriselte und die Bestätigung, diesen Weg weiterzugehen.“ Im letzten Jahr hat der junge Unternehmer zudem bewusst die Digitalisierung seines Betriebes in Angriff genommen. Das habe nicht nur zu einer zusätzlichen Prozessoptimierung und mehr Effizienz in den Abläufen geführt, wie er während des Branchentalks erklärte, sondern sich letztlich auch positiv auf den Umsatz ausgewirkt. ## „Ich hätte nicht geglaubt, dass Kosten so schnell steigen können“ Doch gleich wohl alle in der Talkrunde sitzenden Betriebe 2023 eine zufriedenstellende Rendite erwirtschaftet haben, waren sie sich einig, dass das in den aktuell dynamischen Zeiten kein Garant für dauerhaften Erfolg ist. So betonte Daniel Gruschwitz: „Was ich aus den letzten Jahren gelernt habe: Es war gut Rücklagen zu haben, weil auch wir darauf zurückgreifen mussten. Ich hätte nicht geglaubt, dass sich die Kostenstruktur so schnell dreht und dass Kosten auch so schnell steigen können.“ Aus seiner Sicht ist es deshalb für Betriebe wichtig, bedacht mit den finanziellen Mitteln umzugehen und Rücklagen zu bilden. Für den zehn Mitarbeiter starken Betrieb stellen die Energie- und Materialkosten nach wie vor den höchsten Posten dar, noch vor den Lohnkosten. Bei der Albrecht & Grimm GmbH sind es hingegen vor allem die personellen Kosten, die das Unternehmen belasten. „Wir hatten im letzten Jahr extrem viele Krankentage, die weit über dem branchenüblichen Durchschnitt lagen und die wir aufgrund unserer Betriebsgröße komplett aus Eigenmitteln finanzieren müssen. Das ist ein ganz schwieriger Faktor“, so Anne Berger. Die junge Geschäftsführerin arbeitet deshalb
intensiv am Betriebsklima und effizienten Prozessen in den einzelnen Standorten, denn sie weiß: „Das können wir nur ändern, wenn die Mitarbeitenden gern auf Arbeit kommen und weniger krank sind.“ ## „Betriebsnotwendige Stundenverrechnungssätze ermitteln und einfordern“ Stefan Oesterling, der selbst mehrere Jahre einen Karosserie- und Lackierbetrieb leitete, betonte zudem noch einmal seinen Respekt gegenüber allen Unternehmerinnen und Unternehmern: „Ich ziehe jeden Tag den Hut vor Ihnen. Wenn man sich anschaut, was Sie alles leisten und wie viele Bälle Sie in der Luft halten müssen, um das Unternehmen liquide zu halten und nach vorne zu bringen – da kann ich nur sagen: Chapeau!“ Froh zeigte er sich in diesem Zusammenhang über die Entwicklung im Umgang mit den Stundenverrechnungssätzen. Denn, wie die Konjunkturumfrage ergab, haben 98 Prozent der teilnehmenden Betriebe den Stundenverrechnungssatz in diesem Jahr bereits erhöht oder haben es vor. „Die betriebsnotwendigen Stundenverrechnungssätze explizit zu ermitteln und auch bei den Auftraggebern einzufordern“ ist aus Sicht des AkzoNobel-Managers dabei der richtige Weg, um die Liquidität der Betriebe aufrecht zu erhalten. ## „Das spart nicht nur viel Geld, sondern ist auch noch umweltschonend“ Eric Müller warf darüber hinaus ein, dass Investitionen im Bereich der Energiereduzierung, -gewinnung oder auch -speicherung langfristig für eine Kostenreduktion sorgen können. Zudem hätte das den zusätzlichen Effekt der Ressourcenschonung. So deckt beispielsweise eine PV-Anlage den kompletten Strombedarf des Familienbetriebes zwischen März bis Oktober ab. Zudem wurde mit Beginn der Energiekrise in den Paint PerformAir investiert, eine Lackiertechnologie von AkzoNobel. „Ganz konkret bedeutet das, dass wir unseren Heizölbedarf täglich von knapp 95 Liter auf unter zehn Liter pro Tag reduzieren konnten. Unsere Lackierkabine ist nur noch knapp über Raumtemperatur, es gibt keinen Trocknungs- und Einbrennprozess mehr“, erklärte er in der Sendung. Das spare nicht nur immens viel Geld, sondern sei noch dazu umweltschonend. Für den jungen Betriebsinhaber ist das aber nur eine von vielen Möglichkeiten, das Thema Nachhaltigkeit unternehmerisch anzugehen. Das bestätigte auch Anne Berger. Die Albrecht & Grimm GmbH sei in Sachen Nachhaltigkeit zwar noch nicht so weit wie das ATM Reparaturzentrum, habe sich dieses aber zum Vorbild genommen. In einem ersten Schritt sollen deshalb die Prozesse optimiert werden – auch unter dem Gesichtspunkt nachhaltiger Materialien: „Wir haben vor zwei Wochen unsere Lackierprozesse mit AkzoNobel analysiert und wollen in diesem Bereich jetzt verschiedene Produkte testen, um dann unsere Prozesse umzustellen.“ Die Prozesse sind in der Lackiererei Kramer hingegen genauestens definiert und werden, durch die Erfahrungen von Daniel Gruschwitz, der vor seiner Selbstständigkeit u.a. als Trainer für AkzoNobel tätig war, fortlaufend optimiert. Im Energiesektor setzt der Unternehmer ebenfalls auf eine PV-Anlage und hat kürzlich in eine neue Kompressoranlage investiert. Zudem ist sich Daniel Gruschwitz sicher: „Ich spreche jetzt
mal für das Handwerk generell: Bei uns wird nichts verschwendet. Bei uns geht außerdem Instandsetzen vor Erneuern, insofern sind wir grundlegend immer schon nachhaltig unterwegs.“ ## „Was bringt Nachhaltigkeit für mich als Unternehmen?“ Die drei Talkgäste spiegeln damit auch die 54 Prozent der Umfrageteilnehmer wider, die angaben, sich bereits mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt zu haben. Immerhin ein Drittel plant laut Umfrageergebnis demnächst Investitionen in diesem Bereich oder will sich beraten lassen. Stefan Oesterling betonte in diesem Zusammenhang, dass längst nicht jede nachhaltige Maßnahme für jeden Betrieb sinnvoll wäre. Klar sei aus seiner Sicht jedoch, dass nachhaltige Prozesse häufig auch zu einer Effizienzgewinnung führen. Betriebe müssten sich deshalb fragen: „Was bringt Nachhaltigkeit für mich als Unternehmen?“. ## Fachkräftemangel: „Ausbildung ist der Schlüssel für die Zukunft“ Nachhaltige und effiziente Prozesse sind nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels unabdingbar. Laut schaden.news-Konjunkturumfrage gaben fast 50 Prozent der Befragten an, stark oder sehr stark vom Fachkräftemangel betroffen zu sein. Ein weiteres Drittel fühlt sich mäßig stark betroffen und nur jeder 5. Betrieb ist gar nicht oder kaum vom Fachkräftemangel betroffen. Ähnlich heterogen ist die Lage auch bei den Talkgästen. Für den 44-jährigen Daniel Gruschwitz stellt der Fachkräftemangel aktuell kein akutes Problem dar. Sein Team in Fraureuth bei Zwickau arbeitet seit vielen Jahren zusammen – auch weil der Unternehmer auf ein familiäres Betriebsklima und eine regional wettbewerbsfähige Entlohnung achtet. „Wir haben in der Nähe ein Automobilherstellerwerk und ich will keine Fachkraft nur des Geldes wegen verlieren.“ Zudem bildet die Lackiererei Kramer schon seit der Gründung selbst aus, hat für das aktuelle Lehrjahr sogar zwei junge Damen für eine Ausbildung zur Fahrzeuglackiererin gewinnen können. „Ich habe das Gefühl, dass bei der Jugend ein Umdenken erfolgt. Auf die eine Ausbildungsstelle im letzten Jahr gab es fünf sehr gute, potenzielle Bewerber.“ „Ausbildung ist der Schlüssel für die Zukunft“, ist sich auch Eric Müller sicher. Das ATM Reparaturzentrum sei aktuell im Wachstum, die Fachkräftesuche gestalte sich aber dank eigens ausgebildetem Nachwuchs nicht extrem schwierig. Ebenso essenziell wie die Ausbildung ist für den Chef von 30 Mitarbeitenden aber auch ein harmonischer Umgang im Team. „Und wenn man das beiläufig auch nach außen kommuniziert, zieht das vielleicht auch die Jugend an.“ ## Quereinsteiger rücken stärker in den Fokus Ganz anders sieht die Situation hingegen bei Albrecht & Grimm aus, wie Anne Berger schilderte: „Wir suchen immer und ständig Fahrzeuglackierer und -lackiererinnen. Deutlich schwieriger stellt es sich aber dar, neue Mitarbeitende im Hilfskräftebereich zu finden.“ Die werden widerum dringend gebraucht, da das Unternehmen auftragsbedingt weiter wachsen will. Dabei setzt die Unternehmerin, wie auch ihre Kollegen in der Runde, auf eine ausgewogene Unternehmenskultur. Denn, so berichtete sie aus ihrer Erfahrung, kurzfristige Anreize in Richtung neuer Fachkräfte hätten nicht die gewünschte Wirkung erzielt, viele wären nach kurzer Zeit wieder gegangen. Wichtiger sei daher, Mitarbeitende langfristig durch ein gutes Betriebsklima zu binden. Die Wertschätzung und Förderung von Fachkräften ist auch nach Meinung von Stefan Oesterling das A und O. Der Lackhersteller will Betriebe zudem durch eine Kooperation mit der Bildungsakademie ReStart unterstützen. [Das Projekt zielt darauf ab, Quereinsteiger dort als Fachkräfte für Smart Repair weiterzubilden.](https://schaden.news/de/article/link/43770/vorstellung-restart-bildungsakademie) Zudem soll demnächst auch eine Teilqualifizierung als Fahrzeuglackierer/in starten. „Da sind wir auf einem guten Weg und konnten bereits die ersten Erfolge verzeichnen“, resümiert er. Dennoch werde auch diese Initiative den Fachkräftemangel natürlich nicht lösen können, betonte Stefan Oesterling. ## „Dynamisch bleiben und den Markt beobachten“ Und gerade, weil es kein Patentrezept für aktuelle und künftige Herausforderungen gibt, war sich die Talkrunde einig: Nur die Betriebe, die dynamisch und aktiv bleiben und den Markt beobachten, bleiben auch in Zukunft erfolgreich. „Den Kopf in den Sand zu stecken, macht überhaupt keinen Sinn“, betonte Anne Berger in diesem Zusammenhang. Eric Müller empfahl, nicht an bestehenden Strukturen festzuhalten, sondern auch offen für neue Möglichkeiten und Technologien zu bleiben. Dabei sollte jedoch nach Meinung von Daniel Gruschwitz genau abgewogen werden, was für den eigenen Betrieb Sinn macht oder welche Entwicklung womöglich nur ein Hype ist. Hilfreich ist dabei auch der brancheninterne Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, wie sowohl Anne Berger als auch AkzoNobel-Manager Stefan Oesterling abschließend betonten.
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